Die Aktie der Münchener Rück hat derzeit einen Lauf und kletterte jüngst erstmals seit mehr als 20 Jahren wieder über die Marke von 300 Euro. Mit einem Zuwachs seit Jahresanfang von etwas mehr als 17 Prozent gehört die Aktie auch zu den Top-Performern im deutschen Leitindex DAX in diesem Jahr. Die erfreuliche Kursentwicklung wird jedoch auch fundamental untermauert – der größte Rückversicherer der Welt stellte gestern einen Gewinn für das kommende Geschäftsjahr in Höhe von 4 Milliarden Euro in Aussicht.
Anfang Oktober hinterließ Hurrikan „Ian“ im US-Bundesstaat Florida ein Bild der Verwüstung. Die Rückversicherer gerieten kurzzeitig unter Druck, schließlich rechnete das Analysehaus CoreLogic mit Schäden zwischen 41 bis 70 Milliarden US-Dollar. Auf die Münchener Rück dürften nach ersten Schätzungen Belastungen von rund 1,6 Milliarden Euro zukommen. Natürlich belasten solche Naturkatastrophen die Bilanz eines Rückversicherers. Allerdings ist das Versichern gegen Naturkatastrophen eines der Hauptgeschäftsfelder der Rückversicherer – sie verdienen damit ihr Geld. Und nach fast jeder Naturkatastrophe werden die Versicherungsprämien erhöht. Für Investoren ist eine Bilanzkennzahl von hoher Bedeutung – die Schaden-Kosten-Quote. Diese betrug im dritten Quartal für das Rückversicherungsgeschäft der Münchener Rück 94,3 Prozent. In den ersten neun Monaten des laufenden Geschäftsjahres lässt sich eine Schaden-Kosten-Quote von 94,7 Prozent errechnen. Je deutlicher die Schaden-Kosten-Quote unter 100 Prozent liegt, desto profitabler arbeitet ein Unternehmen.
Die Münchener Rück erzielte im dritten Quartal trotz Hurrikan „Ian“ einen Gewinn in Höhe von 527 Millionen Euro, was 43 Prozent mehr waren als im Vorjahr. Nach neun Monaten summiert sich der Gewinn inzwischen auf 1,90 Milliarden Euro, was im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zwar ein Minus von 7,7 Prozent bedeutet. Allerdings rechnet der Konzern weiterhin fest mit einem Gewinn für das Gesamtjahr von 3,3 Milliarden Euro, was das Vorjahresergebnis um gut 14 Prozent übertreffen würde.
2023 will der Konzern seinen Nettogewinn auf 4,0 Milliarden Euro steigern. Allerdings müssen Versicherungsunternehmen ab dem kommenden Jahr die neuen Bilanzierungsrichtlinien IFRS 17 und IFRS 9 umsetzen, weshalb die Kennzahl nicht mit bisherigen Vorjahreszahlen vergleichbar ist. Dem Versicherungskonzern spielt das sich ändernde Zinsumfeld in die Karten. Nach letztem Stand hatte die Münchener Rück etwa 223 Milliarden Euro an Kapitalanlagen in der Bilanz stehen. Das niedrige Zinsniveau der vergangenen Jahre hat dafür gesorgt, dass diese Investitionen nur eine sehr geringe Rendite abgeworfen haben. Mit den steigenden Zinsen und die dementsprechend steigenden Renditen an den Kapitalmärkten dürfte sich dies in den kommenden Jahren jedoch ändern, was sich positiv auf die Gewinnsituation auswirken sollte.
Charttechnisch hat die Aktie am 10. November mit dem Überqueren des Hochs vom Februar 2020 bei 284,20 Euro ein neues Kaufsignal generiert. Das Überqueren der 300-Euro-Marke hatte eher psychologischen Charakter. Am Dienstag hat die Aktie bei 310,20 Euro ein neues 20-Jahres-Hoch markiert. Bis zum Rekordhoch vom November 2000 bei 391 Euro hätte die Aktie noch reichlich Luft nach oben, wobei es anzuzweifeln ist, ob so weit zurückliegende Daten noch repräsentativ sind. Das Momentum spricht für weiter steigende Kurse, wobei aktuell eine überkaufte Marktphase vorliegt. Ein Rücksetzer auf die aktuell bei 290,01 Euro verlaufende 38-Tage-Linie erscheint kurzfristig möglich. Sollte auch das jüngste Ausbruchsniveau bei 284,20 Euro noch einmal getestet werden, könnte sich eine mehr als vielversprechende Einstiegsgelegenheit ergeben.