Die Strompreise explodieren. Laut dem Vergleichsportal Verivox sind die durchschnittlichen Stromkosten für private Verbraucher in Deutschland bei einem Jahresverbrauch von 4.000 Kilowattstunden (kWh) im September auf 51,58 Cent pro kWh gestiegen. Vor einem Jahr lag der Strompreis noch bei 30,54 Cent pro kWh – ein Anstieg seither also um beinahe 70 Prozent. Man sollte annehmen, dass sich die Stromerzeuger im aktuellen Marktumfeld ein goldenes Näschen verdienen. Doch die Wahrheit könnte kaum weiter entfernt liegen.

Der größte Preistreiber im Bereich Strom sind die stark gestiegenen Großhandelspreise, die vielen Stromversorgern zu schaffen machen. Seit dem Herbst 2021 haben sich die Preise an der Strombörse vervielfacht. Die Gründe dafür sind hohe Preise für Kraftwerk-Brennstoffe wie Gas und Kohle und höhere Kosten für CO2-Zertifikate, die die Stromproduktion verteuern. Der Versorger Uniper, der einen Großteil seiner thermischen Kraftwerke mit Steinkohle oder Erdgas als Brennstoff betreibt, bekam große Probleme. Wegen falscher Absicherungsgeschäfte an den Terminmärkten geriet Uniper sogar in arge Schieflage und benötigte Staatshilfe.

Ganz anders die Situation bei RWE. Der Essener Versorger hat sich auf Erneuerbare Energien fokussiert und gilt inzwischen als ein führender Anbieter von Erneuerbaren Energien weltweit. Mit Windparks, Solarkraft und Batteriespeichern in vielen Ländern ist der größte Teil des Kerngeschäfts von RWE bereits heute schon grüner Strom, der wenig Kosten verursacht. RWE kann einen Großteil seines erzeugten Stroms also recht kostengünstig produzieren und hat damit gegenüber vielen anderen Wettbewerbern im aktuellen Marktumfeld einen erheblichen Vorteil.

Sehr viel Strom produziert RWE jedoch auch in seinen Braunkohle-Kraftwerken. Andere Versorger, die ihren Strom in Kohlekraftwerken erzeugen, leiden unter den stark gestiegenen Kohlepreisen, denn sie müssen den Brennstoff derzeit teuer zukaufen. RWE baut seine Braunkohle jedoch selbst ab. Rund ein Viertel des deutschen Strombedarfs wird durch die Verbrennung von Braunkohle in immer effizienter und flexibler werdenden Kraftwerken gedeckt. Allein 12 Prozent liefern hierzu die Vorkommen im Städtedreieck Aachen-Köln-Mönchengladbach. Dort liegt das größte zusammenhängende Braunkohlegebiet Europas, in dem RWE Power jährlich 65 Millionen Tonnen fördert.

Die Bundesregierung hat jüngst beschlossen, angesichts gedrosselter russischer Lieferungen den Einsatz von Gas für die Stromerzeugung und Industrie zu senken. Dafür sollen wieder mehr Kohlekraftwerke zum Einsatz kommen. Sie sollen die Stromerzeugung durch mit Erdgas befeuerte Kraftwerke so weit wie möglich ersetzen. RWE hat auf die Pläne der Regierung bereits reagiert und die Frühverrentung von Mitarbeitern gestoppt, die mit der Stilllegung von Braunkohle-Blöcken eigentlich in den Vorruhestand gehen sollten. RWE Power verfügt über drei 300-Megawatt-Kraftwerksblöcke, die derzeit in der sogenannten Sicherheitsbereitschaft sind und auf Wunsch des Bundes wieder hochgefahren werden können.

Analysten sehen hier bei RWE enormes Gewinnpotenzial, das sich nach dem Auslaufen von Terminabsicherungen in den Jahren 2023 und 2024 voll entfalten sollte.

Mit einem Zuwachs von etwas mehr als 14 Prozent seit Jahresanfang gehört die RWE-Aktie zu den wenigen Gewinnern im DAX in diesem Jahr. Erst vor wenigen Tagen verfehlte die Aktie ihr Jahreshoch vom Mai bei 43,97 Euro, dass zugleich ein 11-Jahres-Hoch markiert, nur um einen Cent, ehe leichte Gewinnmitnahmen einsetzten. Sollte ein weiterer Angriff auf das Mehrjahreshoch erfolgreicher sein, würde sich weiteres Kurspotenzial bis zum Zwischenhoch vom Januar 2011 bei 55,87 Euro eröffnen. Auf der Unterseite sollte der aktuell bei 38,65 Euro verlaufende 200-Tage-Durchschnitt für eine solide Unterstützung sorgen.

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