Die Entwicklung des Silberpreises war zuletzt ein einziges Trauerspiel – trotz der leichten Erholung in den vergangenen Tagen notiert der Preis des Edelmetalls seit Jahresanfang noch immer um gut 20 Prozent im Minus, womit sich Silber schwächer entwickelt hat als andere Edelmetalle. Für geduldige Anleger könnte das aktuelle Kursniveau jedoch eine gute Einstiegsgelegenheit bieten.
Silber dient wie Gold in schwierigen Zeiten häufig als Sicherer Hafen. Für Gold und Silber gibt es jedoch weder Zinsen noch eine Dividende, weshalb beide Edelmetalle in Zeiten steigender Zinsen an Attraktivität verlieren. Silber hat zusätzlich noch das Problem, das etwa die Hälfte der gesamten Nachfrage aus der Industrie stammt. Wegen der hohen Inflation, der steigenden Zinsen und der drohenden Energiekrise in Europa droht jedoch eine globale Rezession. Der Markt geht daher davon aus, dass auch die industrielle Silber-Nachfrage nachlassen dürfte.
Allerdings übertreibt der Markt aktuell etwas. Wegen der aktuell kräftig steigenden Kosten bei den Silberminen aufgrund von höheren Löhnen oder steigenden Strom- und Materialkosten können nur noch wenige Minengesellschaften bei einem Silberpreis von 18 US-Dollar je Feinunze kostendeckend produzieren. Viele Minengesellschaften dürften aufgrund der Kostenexplosion ihre Produktion drosseln oder Minen sogar vorübergehend ganz schließen. Dass ohnehin schon knappe Angebot würde damit noch weiter sinken.
Die Silber-Nachfrage könnte trotz einer drohenden Rezession weiter zunehmen. Warum? Weil neue Technologien einen erhöhten Einsatz von Silber erfordern. Silber findet vor allem in der Automobilproduktion aufgrund seiner herausragenden elektrischen Eigenschaften immer größere Verwendung. Silber gilt als das Metall mit der höchsten elektrischen Leitfähigkeit und stellt eine zentrale Komponente aller modernen Fahrzeuge dar, da silberbeschichtete Kontakte in praktisch allen elektrischen Schaltungen verwendet werden. Sowohl rein batteriebetriebene Fahrzeuge als auch Plug-in-Hybride benötigen bereits heute ein stetig steigendes Volumen an Silber. So werden aktuell etwa 50 Gramm Silber in einem Fahrzeug des E-Auto-Pioniers Tesla verbaut. Tesla-Chef Elon Musk hatte wiederholt bekräftigt, im Jahr 2030 satte 20 Millionen Elektroautos verkaufen zu wollen. Für dieses Produktionsziel wären gut 32 Millionen Unzen Silber pro Jahr erforderlich. Andere Autobauer werden auf Silber aber ebenfalls nicht verzichten können.
Die derzeit überaus schlechte Stimmung für Silber – abzulesen an der historisch pessimistischen Terminmarktpositionierung einiger Händlergruppen – ist daher nicht schwer nachzuvollziehen. Setzt sich die Erholung der vergangenen Tage fort, könnten einige Marktteilnehmer gezwungen werden, ihre Short-Positionen glattzustellen, was den Silberpreis beflügeln würde.
Charttechnisch hat der Silberpreis deutliches Erholungspotenzial. Der Verkaufsdruck hat nach dem Unterschreiten des Juli-Tiefs bei 18,12 US-Dollar schnell nachgelassen – im Tief ging es nur noch bis auf 17,55 Dollar abwärts, ehe es zu einer Gegenbewegung kam. Zu diesem Zeitpunkt lag bereits eine überverkaufte Marktphase vor, worauf häufig eine Erholungsbewegung folgt. Kann der Silberpreis seinen aktuell bei 19,27 Dollar verlaufenden 38-Tage-Durchschnitt überqueren, hätte er zunächst Platz bis zum August-Hoch bei 20,91 Dollar. Das Chartbild würde sich aber erst etwas deutlich aufhellen, wenn auch der massive Widerstandsbereich bei 21,43/21,44 Dollar nach oben durchbrochen wird. Anlaufziele könnten danach der aktuell bei 22,24 Dollar verlaufende 200-Tage-Durchschnitt sowie das Juni-Hoch bei 22,51 Dollar sein.