Der US-Streaming-Riese Netflix hat im abgelaufenen Quartal per Ende September zum Kundenwachstum zurückgefunden. Die Aktie sprang um mehr als 13 Prozent in die Höhe. Zuvor hatten die Papiere wegen des Kundenschwunds allerdings eine herbe Durststrecke zu überstehen. Ist das Schlimmste damit überstanden?
Netflix konnte mit Serien wie „Stranger Things“ oder „Dahmer: Monster“ im gerade abgelaufenen dritten Quartal neue Kunden gewinnen. Von Anfang Juli bis Ende September verbuchte das Unternehmen unter dem Strich 2,4 Millionen neue Bezahlabos auf nun 223,1 Millionen Abonnenten. Von Januar bis Juni hatte der Streaming-Dienst 1,2 Millionen Nutzer verloren, da diese wegen der explodierenden Verbraucherpreise den Gürtel enger schnallen mussten. Auf Jahressicht blickt Netflix aber noch immer auf 9,53 Millionen neue Bezahlabos zurück – ein Wachstum von 4,5 Prozent. Der Streaming-Riese konnte mit seinen Nutzerdaten die eigenen Prognosen aber auch die Erwartungen des Marktes schlagen.
Netflix erzielte im dritten Quartal Umsätze in Höhe von 7,93 Milliarden US-Dollar. Im Vergleich zum zweiten Quartal gingen die Erlöse damit zwar um 0,6 Prozent zurück, doch legten sie auf Jahressicht um 5,9 Prozent zu. Auch damit lag der Streaming-Riese über den Markterwartungen. Um sich im scharfen Wettbewerb mit seinen Konkurrenten zu behaupten, nimmt das Unternehmen viel Geld für Produktionen und Marketing in die Hand. Der Nettogewinn fiel daher im dritten Quartal gegenüber dem Vorjahreszeitraum um rund 3,5 Prozent auf 1,40 Milliarden Dollar.
Netflix hat in der jüngeren Vergangenheit Marktanteile an seine Rivalen verloren. Allerdings bricht das Unternehmen daher nicht in Panik aus. Es stichelte im jüngsten Quartalsbericht sogar etwas gegen die Konkurrenz, die bei der Jagd nach Marktanteilen im Streaming-Geschäft mitunter tiefrote Zahlen in Kauf nehmen würde. Netflix erwartet, dass bei der versammelten Konkurrenz 2022 operative Verluste von deutlich mehr als 10 Milliarden Dollar anfallen werden, während man selbst voraussichtlich einen Betriebsgewinn zwischen 5 und 6 Milliarden Dollar einfahren wird.
Dennoch will Netflix nicht abwarten, bis die Konkurrenz schwächelt, sondern weiter angreifen. Der Streaming-Dienst bietet ab dem 3. November zusätzlich zu den drei bereits bestehenden Abo-Modellen eine Version des Dienstes mit Werbeanzeigen an. Vor und während der Serien und Filme sollen dann Werbespots laufen. Die Kunden müssten sich durchschnittlich auf vier bis fünf Minuten Werbung pro Stunde einstellen. Das Modell soll in Deutschland 4,99 Euro im Monat kosten. Netflix erhofft sich damit zwar auch Neukunden, doch will man in erster Linie abwanderungswillige Kunden halten oder bereits gegangene zurückgewinnen.
Auch will der Konzern ab sofort gegen die Mehrfachnutzung von Accounts vorgehen. Netflix hat bereits begonnen, E-Mails zu verschicken, in denen dem Account-Besitzer die Möglichkeit gegeben wird, vorhandene Profile samt Empfehlungen, Titelverlauf, Einstellungen und gespeicherten Spielen auf ein neues Konto zu übertragen. Netflix schätzt, dass weltweit rund 100 Millionen Haushalte auf der Plattform schauen, ohne dafür zu bezahlen. In Lateinamerika hatte Netflix kürzlich einen Test gefahren, wo jeder Unter-Account 2,99 Dollar extra kostete. Anfang 2023 solle eine ähnliche Strategie weltweit eingeführt werden. Mit Sicherheit werden nicht alle „Schwarzseher“ ein eigenes Konto eröffnen, doch können sich viele ein Leben ohne Netflix kaum mehr vorstellen. Wenn nur ein Bruchteil von ihnen ein eigenes Konto eröffnet, schlummert hier für Netflix ein riesiges Potenzial.
Charttechnisch hat sich die Netflix-Aktie von ihrem Korrekturtief vom Mai bei 162,71 US-Dollar bereits kräftig erholt. Mit dem jüngsten Kurssprung um mehr als 13 Prozent gelang der Aktie auch der Sprung über das August-Hoch bei 251,99 Dollar. Kann nun auch der vielbachtete 200-Tage-Durchschnitt überquert werden, der aktuell bei 281,22 Dollar verläuft, könnte die Kurslücke vom 20. April in Angriff genommen werden, die erst beim Erreichen von 333,22 Dollar geschlossen wäre. Damals hatte der Markt verschnupft auf den gemeldeten Kundenschwund im ersten Quartal reagiert.