Als eines der weltweit führenden Unternehmen im Bereich erneuerbare Energien könnte RWE von einer „grünen“ Politik profitieren. Zusätzliche Fantasie liegt in der Abspaltung der Kohle-Aktivitäten. Erzeuger von ausschließlich „grünem“ Strom werden an der Börse höher bewertet.
Wie so häufig nach Bundestagswahlen, gibt es Unternehmen, die von einer neuen Regierungsbildung stärker profitieren könnten als andere. Zu diesen zählt auch der Energieversorger RWE. Noch steht zwar nicht fest, wer mit wem regiert, doch zeichnen sich zwei Regierungs-Konstellationen ab, bei denen das Thema Umweltschutz eine wichtige Rolle spielen dürfte.
Vor allem das Thema Erneuerbare Energien dürfte in den kommenden Jahren noch stärker von der Politik gespielt werden. Und der RWE-Konzern gehört mit seiner jüngsten Tochter RWE Renewables zu einem der weltweit führenden Unternehmen im Bereich Erneuerbare Energien. Schon heute verfügt die RWE-Tochter über Onshore- und Offshore-Windparks, Photovoltaikanlagen sowie Batteriespeicher mit einer Kapazität von rund 9 Gigawatt. Für das weitere Wachstum steht ein Investitionsbudget von 5 Milliarden Euro bis 2022 bereit.
RWE könnte von einer Regierung, die ihren politischen Fokus ein Stück weiter in Richtung Umweltschutz ausrichtet, in Zukunft von verstärkten und vor allem schnelleren Zulassungen und möglicherweise mehr Nutzungsflächen für seine Projekte im Bereich erneuerbare Energien profitieren.
RWE ist allerdings kein Erzeuger von ausschließlich „grünem“ Strom, der Konzern betreibt auch Kraftwerke, die mit Stein- und Braunkohle befeuert werden. RWE ist jedoch bemüht, noch klimaneutraler zu werden. Speziell in den Niederlanden setzt das Unternehmen auf Biomasse und rüstet aktuell zwei Steinkohlekraftwerke auf den Einsatz des CO2-neutralen Energieträgers um. Eine Kennzahl, die bei nachhaltigkeitsorientierten Investoren immer mehr Beachtung findet, ist der Prozentsatz, den die Erlöse aus Kohlestrom und sonstigen Kohleprodukten am Konzernumsatz ausmachen. Im ersten Halbjahr 2021 betrug der Anteil bei RWE nur noch 21 Prozent – im Vorjahr waren es noch 22 Prozent.
Auch hier könnte RWE von einer neuen, sich stärker auf Umweltschutz fokussierenden Politik, profitieren. Bislang plante der Konzern, gemäß der Ziele der „alten“ Bundesregierung das letzte Kohlekraftwerk bis 2038 abzuschalten. Eine neue Regierung könnte das Abschalten von Kohlekraftwerken womöglich früher anordnen. Vielleicht ist ein politischer Antrieb auch gar nicht nötig. Analysten argumentieren, die steigenden Kosten für Emissionszertifikate könnten Braunkohle schneller unwirtschaftlich machen. Je höher der Preis für CO2 steigt, desto stärker sei der Anreiz für RWE, mit dem Geld aus dem Verkauf der entsprechenden Zertifikate Kraftwerke früher stillzulegen. Ein Analyst prognostizierte jüngst, dass RWE zwischen 10 Milliarden und 13 Milliarden Euro einstreichen könnte, wenn es seine Braunkohlekraftwerke abstellen und stattdessen Emissionszertifikate, die es in der Vergangenheit angehäuft hat, zu den aktuellen Rekordpreisen verkaufen würde.
Zahlreiche Analysten brachten auch eine Abtrennung der RWE-Kohleaktivitäten ins Spiel. Hier liegt für Aktionäre womöglich das größte Potenzial. Investoren billigen Erzeugern von ausschließlich „grünem“ Strom wie beispielsweise der portugiesischen EDP Renováveis oder der dänischen Ørsted eine deutlich höhere Bewertung zu. Der aktivistische Investor Enkraft Capital traut der RWE-Aktie einen Anstieg auf 61 Euro oder mehr zu, sollte der Konzern seine Kohleaktivitäten abspalten.
Charttechnisch hat sich die Aktie zuletzt leicht erholt, nachdem es zuvor deutlich abwärts ging. Setzt sich die Erholung fort, dürften die beiden gleitenden Durchschnitte der vergangenen 38 respektive 200 Tage bei 32,44/32,59 Euro wieder angesteuert werden. Geht es sogar darüber, wäre kurzfristig sogar Platz bis zum August-Hoch bei 33,99 Euro. Mittelfristig könnte auch das Januar-Hoch bei 38,65 Euro wieder angesteuert werden.