Am 24. August gab es im deutschen Leitindex DAX eine Änderung in der Zusammensetzung. Die Skandalfirma Wirecard wurde durch den Essens-Lieferdienst Delivery Hero ersetzt.

Nach wie vor können viele Anleger nicht nachvollziehen, wie mit Wirecard ein DAX-Unternehmen insolvent gehen konnte – nie zuvor in der mehr als 30-jährigen Geschichte des DAX hat es so etwas gegeben. Der Skandal hat das Ansehen des DAX im In- und Ausland stark geschädigt.

Gerade unerfahrene Anleger hatten bisher geglaubt, dass sie in ein solides deutsches Unternehmen investieren würden, wenn es im wichtigsten deutschen Index gelistet ist. Das Problem ist, dass auch der DAX-Neuling Delivery Hero nicht gerade als ein solides deutsches Unternehmen bezeichnet werden kann, das kontinuierlich Gewinne erwirtschaftet. Im Gegenteil – der Essens-Lieferant ist voll auf Wachstum getrimmt und fuhr in den ersten sechs Monaten des laufenden Geschäftsjahres einen Verlust von 443 Millionen Euro ein.

Die Deutsche Börse hatte ihr Regelwerk für den DAX jüngst angepasst, um insolvente Unternehmen schneller aus dem Index werfen zu können. Leider hat es der Börsenbetreiber verpasst, weitere Anpassungen vorzunehmen, um verlorengegangenes Vertrauen zurückzugewinnen. Vor wenigen Tagen stieg der E-Auto-Pionier Tesla wegen des Höhenflugs der Tesla-Aktie zum nach Börsenwert siebtgrößten US-Unternehmen auf. Eine Aufnahme in den marktbreiten S&P 500 Index blieb dem Wert in den USA jedoch verwehrt, da der Autobauer noch nicht kontinuierlich Gewinne erwirtschaftet. Eine solche Regel wäre vielleicht auch beim DAX wünschenswert gewesen. Delivery Hero hat seit dem Börsengang im Jahr 2017 operativ stets Verluste eingefahren. Und die Expansionspläne des Berliner Konzerns dürften auch in den kommenden Jahren für ein stark defizitäres operatives Geschäft sorgen. Zudem erwirtschaftet das Unternehmen seine Umsätze komplett im Ausland, womit es die deutsche Wirtschaft in keinster Weise repräsentiert. Die Aufnahme in den DAX darf zumindest kritisch hinterfragt werden.

Doch dies ist ein anderes Thema, für das Delivery Hero ja absolut nichts kann. Der Lieferdienst betreibt in mehr als 40 Ländern Bestellplattformen für Essen lokaler Anbieter. Auf seiner Plattform vermittelt Delivery Hero Lieferdienste zwischen Restaurants und deren Kunden. Nach wie vor stammt die Haupteinnahmequelle aus Provisionen, die die teilnehmenden Restaurants bezahlen, um dafür mehr Reichweite und Bekanntheit zu erlangen. Allerdings betreibt Delivery Hero auch eigene Lieferdienste und Großküchen. Hierzulande ist der Konzern nicht mehr tätig, denn er hat sein Deutschland-Geschäft 2019 für rund eine Milliarde Euro an den niederländischen Konkurrenten Takeaway verkauft. Geld, das bereits in zahlreiche Übernahmen investiert wurde. Besonders stark vertreten ist Delivery Hero im Nahen Osten, in Nordafrika und in Asien.

Umsatzseitig konnte Delivery Hero zuletzt mehr als überzeugen. Im ersten Halbjahr 2020 konnten die Erlöse dank der Coronavirus-Pandemie im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 87,4 Prozent auf 957,5 Millionen Euro gesteigert werden. Die Zahl der Bestellungen erhöhte sich im gleichen Zeitraum um 93,1 Prozent auf 519,1 Millionen. Für das laufende Jahr rechnet Delivery Hero mit Erlösen zwischen 2,6 und 2,8 Milliarden Euro, was einem Zuwachs gegenüber dem Geschäftsjahr 2019 zwischen 110 und 126 Prozent entsprechen würde.

Fraglich ist allerdings, ob der Lieferdienst diese Wachstumsraten auch nach der Coronakrise noch erreichen kann. Mit einem Börsenwert von aktuell etwa 18 Milliarden Euro ist der Konzern kein Schnäppchen mehr – die Umsatzmultiple auf Basis der diesjährigen Unternehmensprognosen liegt aktuell zwischen 6,4 und 6,9. Angesichts der Tatsache, dass das Unternehmen noch sehr lange operativ keine Gewinne erzielen wird, erscheint die aktuelle Firmenbewertung für einen Langfrist-Investor bereits überaus ambitioniert. Ein Investment in die Aktie von Delivery Hero drängt sich somit aktuell nicht auf.

Die Kursentwicklung seit der DAX-Aufnahme ist eher enttäuschend. Seit dem Rekordhoch vom 7. Juli bei 103,50 Euro ging es kontinuierlich bergab – zuletzt sogar unter die 90-Euro-Marke. Weitere Kursrückschläge sind aktuell nicht auszuschließen. Wird das jüngste Zwischentief vom 4. September bei 85,24 Euro unterschritten, droht ein Rücksetzer auf den vielbeachteten 200-Tage-Durchschnitt bei aktuell 79,30 Euro.

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