Der weltgrößte Onlinehändler muss derzeit Tausende neue Mitarbeiter einstellen, um den Bestell-Boom bewältigen zu können. Amazon dürfte gestärkt aus der Krise kommen.
In dieser Woche startet in den USA die Berichtssaison. Viele Unternehmen wurden von der Coronavirus-Pandemie hart getroffen, was sich bereits in schwächeren Q1-Bilanzen niederschlagen dürfte. Allerdings gibt es auch diverse Krisengewinner. Für einige dieser Gewinner läuft es aktuell überaus gut. So können sich Streaming-Anbieter wie Netflix oder Disney über zahlreiche Neuabonnenten freuen. Auch die Kochboxen-Versender freuen sich derzeit über ein boomendes Geschäft – zu den bekanntesten gehört hierzulande das Berliner Unternehmen HelloFresh. Doch bei einigen Krisen-Profiteuren könnte nach der Krise die große Ernüchterung folgen, wenn viele Kunden die entsprechenden Dienste, die meist monatlich kündbar sind, nicht mehr benötigen und wieder kündigen.
Doch es gibt auch Krisengewinner, die langfristig zu den Profiteuren zählen dürften. Einer von ihnen ist der US-Onlinehändler Amazon. Aufgrund der Ausgangsbeschränkungen in zahlreichen Ländern bleibt den Menschen derzeit kaum etwas anderes übrig, als benötigte Dinge online zu kaufen und sich liefern zu lassen. Amazon kann die derzeitige Auftragsflut kaum noch bewältigen. In vielen Regionen in den Vereinigten Staaten ist die Nachfrage nach Amazons Lieferdiensten regelrecht explodiert. Das Unternehmen stellte bereits zu Beginn der Krise 100.000 neue Mitarbeiter ein, um seine Kapazitäten zu erhöhen. Zu Beginn dieser Woche kündigte der Online-Riese die Einstellung weiterer 75.000 Mitarbeiter an, da man sich nach wie vor schwertut, die Flut an Betellungen zu bewältigen. In zahlreichen Ländern müssen die Kunden mittlerweile deutlich länger auf ihre Waren warten als sie das bisher von Amazon gewohnt waren. Um seine Mitarbeiter zusätzlich zu motivieren, kündigte Amazon zudem an, die Gehälter in der Corona-Krise um mehr als 500 Millionen US-Dollar zu erhöhen.
Doch warum dürfte Amazon zu einem Langrist-Profiteur der Corona-Krise werden? Schließlich dürfte der Bestellboom auch bei Amazon nachlassen, wenn die im Zusammenhang mit der Pandemie beschlossenen Beschränkungen in den einzelnen Ländern wieder gelockert werden und alle Geschäfte, Baumärkte etc. wieder öffnen dürfen. Dies liegt einfach daran, dass viele Geschäfte die Corona-Krise nicht überstehen werden. In vielen Kleinstädten oder Dörfern werden Geschäfte verschwinden und vorerst nicht durch neue ersetzt werden. Die Menschen werden dann oft keine andere Möglichkeit haben, als in der nächstgrößeren Stadt Besorgungen zu machen oder online ihre Bestellungen aufzugeben. Amazon als Marktführer dürfte so weitere Marktanteile hinzugewinnen.
Amazon zeigte sich während der Krise auch solidarisch und schränkte seinen eigenen Lieferdienst ein, um anderen Logistikkonzernen das Leben nicht noch schwerer zu machen. Viele der eigenen Zulieferer mussten daher zuletzt in den hoffnungslos überforderten Lagern mit aushelfen. Nach der Krise dürfte ein Teil der zuletzt neu eingestellten Mitarbeiter jedoch den Lieferdienst verstärken. Amazon hatte bereits vor der Krise den Plan, seine Waren künftig schon am Tag der Bestellung an seine Kunden ausliefern zu wollen. Nach der Krise wird Amazon also noch kundenfreundlicher, was der Konkurrenz weiter zusetzen dürfte. Amazon wird seine Zahlen für das gerade abgelaufene Quartal am 23. April veröffentlichen. So wie sich das Geschäft zuletzt entwickelt hat, dürfte durchaus mit einer positiven Überraschung zu rechnen sein.
Die Amazon-Aktie hat die Krise allerdings auch nicht schadlos überstanden und rauschte während der Marktkorrektur zwischenzeitlich um 559 US-Dollar oder mehr als 25 Prozent auf 1.626 Dollar in die Tiefe. Doch die Abwärtsbewegung konnte mittlerweile fast komplett korrigiert werden – am gestrigen Montag überquerte die Aktie wieder das Hoch aus dem Jahr 2018 bei 2.050,50 Dollar und näherte sich ihrem Rekordhoch von Mitte Februar bei 2.185,95 Dollar bis auf weniger als 6 Dollar an. Kann das Hoch herausgenommen werden, wäre erst einmal reichlich Luft nach oben. Auf der Unterseite sollten das 2018er-Hoch sowie das 2019er-Hoch bei 2.035,80 Dollar zunächst im Fokus stehen. Geht es allerdings noch einmal kräftiger abwärts, müssten die 50-Tage-Linie bei 1.963 Dollar sowie die 200-Tage-Linie bei 1.858 Dollar für Halt sorgen.