Lockerungsmaßnahmen und das Aufheben von Reisebeschränkungen in vielen Ländern ließen Werte aus der Reisebranche zuletzt kräftig steigen. Doch in der Kreuzfahrtbranche ist weiterhin Geduld gefragt.
Viele Anleger werden mit dem Unternehmen Carnival wenig anfangen können. Für Reisebegeisterte, die schon einmal eine Kreuzfahrt auf einem AIDA-Schiff gemacht haben, dürfte der Name allerdings ein Begriff sein, denn die Rostocker Reederei AIDA Cruises ist eine Tochter der britisch-amerikanischen Carnival Corporation & plc – dem größter Kreuzfahrtveranstalter der Welt.
Carnival wurde von der Coronakrise besonders hart getroffen. Kurz nach dem weltweiten Ausbruch der Lungenkrankheit SARS-CoV-2 verhängten viele Länder Einreisestopps. Die insgesamt 104 Kreuzfahrtschiffe von Carnival ankern seit März daher in den Häfen. Alle geplanten Reisen wurden seither storniert. Wegen der Lockerungsmaßnahmen in vielen Ländern, insbesondere dem Aufheben zahlreicher Reisebeschränkungen, waren Aktien aus der Reisebranche an den Börsen zuletzt stark gefragt. Auch die Carnival-Aktie konnte sich in den vergangenen Tagen kräftig erholen – allein im Juni legten die Papiere bereits um mehr als 46 Prozent auf aktuell 23,04 US-Dollar zu. Vor der Coronakrise notierte das Papier nahezu doppelt so hoch. Doch dass die Aktie jetzt im Eiltempo wieder das Vorkrisenniveau erreicht, ist nicht unbedingt zu erwarten.
Denn die Auszeit kostete dem Kreuzfahrtunternehmen bereits eine Menge Geld. 38 Prozent der Kunden, die von einer stornierten Reise betroffen waren, haben eine Reisepreiserstattung angefordert, die übrigen haben Gutscheine akzeptiert. Doch während von den Flughäfen bereits wieder zahlreiche Ferienflieger abheben, müssen die Kreuzfahrtschiffe noch in den Häfen bleiben. Carnival hat daher den Betriebsstopp seiner gesamten Flotte bis zum 31. Juli verlängert. Stand heute soll der Neustart am 1. August stattfinden, allerdings zunächst nur mit wenigen Schiffen, da noch nicht alle Häfen auf den verschiedenen Routen angesteuert werden können. Da beispielsweise in Kanada Kreuzfahrtanläufe noch bis Ende Oktober 2020 nicht möglich sind und in den USA bis auf Weiteres ein Einreisestopp für Europäer gilt, hat die Carnival-Tochter AIDA Cruises ihre für dieses Jahr geplanten Reisen mit Zielen in den USA und Kanada gänzlich ausgesetzt. Die Rückkehr zum Normalbetrieb dürfte sich somit für Carnival erheblich verzögern.
Laut Studien diverser Analystenhäuser verliert Carnival derzeit im Monat im Schnitt etwa 1,1 Milliarden US-Dollar. Das Unternehmen hat sich gegen Ende April über Ausgabe neuer Anleihen zusätzliche Liquidität in Höhe von 6,4 Milliarden Dollar besorgt. Somit sollte die Finanzierung des Geschäftsbetriebs bis Ende Oktober gesichert sein. Zudem wurden zahlreiche Mitarbeiter entlassen oder in Kurzarbeit geschickt.
Für langfristig denkende Anleger könnte sich ein Investment in Carnival durchaus lohnen, denn irgendwann wird auch beim größten Kreuzfahrtveranstalter der Welt wieder Normalität einkehren. Und da in jeder Krise sämtliche Geschäftsbereiche auf dem Kopf gestellt und Einsparungen und Verbesserungen vorgenommen werden, könnte auch Carnival nach der Krise besser aufgestellt sein als vorher. Doch ist hier noch ein langer Weg zu gehen.
Charttechnisch hat sich die Aktie von ihrem Korrekturtief bei 7,80 US-Dollar bereits kräftig erholt. Auf der Oberseite wäre aktuell noch Platz bis zunächst 34,83 Dollar, wo aktuell der 200-Tage-Durchschnitt verläuft. Langfristig sollten aber Kurse im Bereich der 40-Dollar-Marke möglich sein. Allerdings dürfte die jüngste Erholung angesichts der weiterhin bestehenden Probleme erst einmal ins Stottern geraten. Sogar ein Schließen der am 5. Juni aufgerissenen Kurslücke bei 19,80 Dollar erscheint kurzfristig möglich.